JEVER/WAN Eine umjubelte Premiere feierte die Musical-AG des Mariengymnasiums zu Jever mit ihrer jüngsten Inszenierung „Voll verboten“ am Dienstag im Theater am Dannhalm. Eingangs lobte Schulleiter Jürgen Ploeger-Lobeck die Idee, angesichts bedenklicher Probleme mit dem Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen West und Ost dieses Stück zum 30-Jährigen des Mauerfalls aufzuführen.
Die Geschichte, die sich stark an Thomas Brussigs „Sonnenallee“ orientiert und in einer früheren Fassung im Mai 2008 ihre Uraufführung durch die Musical-AG feierte, spielt in Ost-Berlin und Micha (Thore Schmidt) erklärt zu Beginn: „Ich wohne in einem sehr jungen Land – ansonsten habe ich keine Probleme.“ Stattdessen hegt er zwei Träume, die kaum miteinander zu vereinbaren sind. Die angehimmelte aber hochnäsige Miriam (Jane Fischer) hat einen West-Freund und für ein Studium in Moskau müsste man dem allgewaltigen gewisse Vorleistungen bringen – zum Beispiel sich für drei Jahre zur Nationalen Volksarmee verpflichten.
Doch diese Jugend quasi im Schatten des „antifaschistischen Friedenswalls“ sucht sich ihre Nischen in der realsozialistischen Diktatur und foppt so manches Mal die strenge Staatsmacht auf clevere Weise. Wobei es auch herbe Verluste gibt, wenn der Oberwachtmeister (Moritz Bomhauer) ins Kassettenüberspielen platzt und den harmlosen West-Hit „Moscow“ (Wonderland) konfisziert, weil der subversive Textpassagen aufweise. Ein noch größerer Schatz aber wäre die echte Rolling Stones-LP „Exile on Main Street“ – unter der Hand für nur 150 Mark zu haben!
Ganz viel Realsatire aus dem wahren Leben im Arbeiter- und Bauernparadies wird aufgespießt, so die heimlichen Tricks für Privilegien, wenn Michas Vater (Lasse Sjuts) erfolgreich ein Telefon beantragt, weil er angeblich Epileptiker ist. Und Mutter Doris (Teresa Habben) trägt sich mit heiklen Fluchtgedanken, seit sie einen West-Pass gefunden hat.
Derweil verhöhnen die Jugendlichen West-Touristen, wenn die die DDRler über die Mauer wie Zootiere begaffen oder sich als Niete erweisen wie die nervige Tante Lina (Britta Bomhauer) mit ihren untauglichen West-Mitbringseln. Und dann kommt es bei einer Schulfeier zu einem Eklat, weil auf einem Banner zur Ehre der Partei die „Vorhut der Arbeiterklasse“ zur „Vorhaut“ verunziert wurde. Nur das sofortige Geständnis rettet den Übeltäter, während andere Jugendliche sich ohnehin lieber vorsorglich bei der Schulleitung und den allgegenwärtigen Vertretern der Staatsmacht einschmeicheln.
Irgendwie lässt es sich so trotz vieler Verbote ganz gut leben mit all den kleinen Nischen und heimlichen wilden Parties und das Liebesleben ist den 17-Jährigen ungleich wichtiger als die Frage, was man später mal studieren könnte, das nicht politisch angehaucht ist. Bei all dem fröhlichen Treiben, das die Schrecken des Stasi-Staates dabei durchaus nicht verharmlost, spielen freche Sprüche und die von Meic Stephan einstudierten mitreißenden Choreographien ein wichtige Rolle für einen großen Musical-Spaß mit ernstem Hintergrund.
Als Komponist, Texter und Regisseur hat Jens Marnowsky das Ensemble samt der peppigen Band zu Top-Leistungen gebracht und da man weiß, dass die Geschichte dank des Mauerfalls tatsächlich ein Happyend bekommt, ist der Spaß daran um so unbeschwerter. Darauf dürfen sich dann auch die Zuschauer der nächsten Aufführungen am kommenden Samstag und Sonntag jeweils um 19.30 Uhr freuen.
von Wolfgang A. Niemann