Ehemaliger Schüler des Mariengymnasiums
JEVER/WAN Dieser Stargast sorgte am Samstag für ein restlos ausgebuchtes Theater am Dannhalm in Jever: Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, der wohl berühmteste Sportmediziner nicht nur deutschlandweit.
Dieser „Mull“, wie ihn seine ehemaligen Klassenkameraden damals im Mariengymnasium nannten, feierte quasi parallel zum 450-jährigen Jubiläum des MG sein 60-jähriges Abitur. Martin Schadewald vom Förderverein des MG hatte den Auftritt des in München praktizierenden Arztes organisiert und der Verein der Ehemaligen hatte ihn mit einer Spende unterstützt.
Lässig aber konzentriert, wie man den langjährigen Mannschaftsarzt des FC Bayern München und der Nationalmannschaft kennt, schilderte „Mull“ erst einmal seine Jugend. Die er als traumhaft bezeichnete. Obwohl er nicht nur „nicht ganz konform“ mit den Lehrern fast von der Schule geflogen wäre. Und zweimal ist er sitzengeblieben, nicht nur wegen Latein sondern auch wegen Religion, und das, wo sein Vater doch Pastor in Leerhafe bei Wittmund war.
Der sei zwar streng aber auch gütig gewesen und schrieb ihm sogar nächstens Lateinarbeiten. Vor allem aber habe er von ihm auch die Disziplin gelernt, die ein Leben lang wichtig sein sollte. Glückliche Fügungen sorgten dann für seinen Aufstieg: dass er trotz grottenschlechtem Abitur überhaupt Medizin studieren konnte und wie er ohne Chance plötzlich Mannschaftsarzt erst bei Hertha BSC und bald schon bei den Bayern wurde.
Im Gespräch mit Gerhard Schick von der Produktionsfirma „Lichtblick“, die derzeit einen Film über Müller-Wohlfahrt dreht, kam dann seine spezielle Fähigkeit zur Sprache. Sein bald weltweiter Erfolg nicht nur bei Ballsportlern beruhte entscheidend darauf, dass er Verletzungen mit seinen Händen ertastete. Dass das eine besondere Gabe sei, die man nicht einfach erlernen kann, sei ihm erst viel später bewusst geworden.
Dazu schildert er spannende Ereignisse und manche Anekdoten mit Sportstars, die ihn immer wieder und noch heute ad hoc in die Ferne rufen: „Ich habe in den letzten beiden Wochen an einem Tag fünf Weltmeister und zwei Vizeweltmeister aus verschiedenen Ländern betreut.“ Und besonders gern erzählt er von Wunderläufer Usain Bolt, für den er immer zum „Wunderdoktor“ wurde.
So bei Olympia 2016 in Brasilien, wo der jamaikanische Sprinter völlig verspannt war. In einem schmuddeligen Hinterzimmer habe er ihm dann Nadeln tief in den Rücken gesetzt. „You met the point“ konstatierte Bolt, gewann drei Goldmedaillen und widmete sie Müller-Wohlfahrt.
Immer wieder betonte der Orthopäde die Leidenschaft, mit der er seinen Beruf ausübt. Und noch heute mit seinen 81 Jahren – die man ihm überhaupt nicht ansieht – zwölf Stunden am Tag arbeitet. Er ist dankbar für die glücklichen Fügungen seines Lebens, über die er irgendwie noch heute staunt.
Und so fit wie ein Turnschuh, wie er sichtbar ist, hat er noch nie ans Aufhören gedacht. Stattdessen steht für ihn als nächstes Olympia 2024 an und „der Doc“ hat schon Räume in Paris gebucht. Nach diesen 90 fesselnden Minuten war das Publikum dann so begeistert, dass es zu stehenden Ovationen aufsprang.
Autor: Wolfgang A. Niemann